Tafelspitz – alles Wissenswerte
Der Tafelspitz gehört zu den guten Stücken, die Rindfleisch zu bieten hat. Gut abgehangen muss er sein, mit feinen Fasern ausgestattet und mit einem kleinen Fettrand versehen.
Sein Name ist berechtigt, denn es handelt sich um den hinteren Teil der Rinderhüfte, das an das Tafelstück angrenzt und spitz ausläuft. Seine besondere Qualität zeigt sich darin, dass er beim Kochen besonders mürbe wird.
Der Tafelspitz ist ein Teil der Delikatessen, auf die die Wiener Küche so stolz ist.
Die Entdeckung dieses fast dreieckigen Stücks Fleisch reicht bis ins fünfzehnte Jahrhundert zurück, als man viele Rinder von deutschen, ungarischen und galizischen Bauern kaufte.
Für den Tafelspitz jedoch kamen nur Ochsen aus der ungarischen Puszta in Frage.
Tafelspitz als gesottene Spezialität
Das Gericht entwickelte sich zu einer österreichischen Lebenshaltung.
Im neunzehnten Jahrhundert stellte sich der Kochphilosophie Rindfleisch braten nämlich die Auffassung Rindfleisch sieden entgegen.
Die gesottene Zubereitungsform siegte, weil sie in der kaiserlichen Hofküche bevorzugt wurde.
Später übernahm die bürgerliche Küche sie, und schließlich fand sie auch ihren Weg auf die Speisekarten der österreichischen Restaurants.
Dort wird heute noch Tafelspitz in Gestalt von gekochtem Rindfleisch angeboten. Doch wer hat’s wirklich erfunden?
Die Rolle der Anna Sacher
Diese Frage beantwortet eine Legende. Danach war das Festessen ursprünglich keineswegs für das leibliche Wohl Kaiser Franz Josephs I. (1848 bis 1916) gedacht. Vielmehr hatte der die Angewohnheit, seine Mahlzeiten Gang für Gang hinunterzuschlingen.
Zudem nahm er jeweils nur wenige Bissen zu sich. Bei Hofe galt die strenge Regel, dass Gäste nur dann Essen zu sich nehmen durften, während der Kaiser es tat.
Selbstverständlich erhielt seine Kaiserliche Hoheit die Speisen zuerst – sehr zum Leidwesen derjenigen, die am anderen Ende der langen Tafel saßen. Ihre Teller waren noch leer, als Franz Joseph sein Besteck schon wieder zur Seite gelegt hatte. Die hohen Militärangehörigen erhielten zwar oft eine Einladung, gingen aber fast ebenso häufig mit leerem Magen wieder weg.
Um ihren Hunger zu stillen, ließ Anna Sacher sich etwas einfallen. Hatte ihr Mann, der Gastronom und Hotelier Eduard Sacher, bereits die Sachertorte erfunden, so entfaltete sie ihre kulinarischen Künste am Herd.
Sie bereitete das Essen für die hungrigen Militärs vor, indem sie das Rindfleisch stundenlang in Brühe köcheln ließ, während die Männer an der kaiserlichen Tafel darbten. Nach dem letzten Gang eilten sie ins Gasthaus Sacher, wo sie endlich ihren Magen füllen konnten.
So soll das der Tafelspitz als Gericht entstanden sein, das immer bekannter und beliebter wurde. Als vollständig gilt es allerdings nur mit Apfelkren (Apfelmeerrettich).
Hier ein Spitzenrezept für den Tafelspitz (sechs Personen):
- 1,5 kg Tafelspitz
- 6 säuerliche Äpfel
- 1 Zitrone
- 75 g Zucker
- 75 g Meerrettich
- 1 große Zwiebel
- 1 Bund Wurzelgemüse (Mohrrüben und Staudensellerie, alternativ Mohrrüben und Pastinaken)
- ½ Stange Porree
- 2 Lorbeerblätter, Pfefferkörner
Die Äpfel schälen, vierteln, vom Kerngehäuse befreien und grob reiben. Den Rieb in einen Topf geben, den Saft der Zitrone und den Zucker hinzufügen. Alles fünf Minuten köcheln lassen. Den Meerrettich fein reiben und der Mischung unterheben.
Die Zwiebel teilen und beide Hälften auf den Schnittflächen ohne Fett anrösten.
Das Wurzelgemüse schälen und in kleine Teile schneiden, die halbe Stange Porree in Ringe schneiden.
3 Liter Wasser in einen Suppentopf geben, die Zwiebelhälften und das Gemüse hinzufügen. 2 Lorbeerblätter und einige Pfefferkörner ebenfalls zufügen. Alles aufkochen lassen.
Den Tafelspitz waschen und trockentupfen. Dann in die kochende Brühe geben. 2 bis 3 Stunden bei niedriger Stufe garen (je hochwertiger das Fleisch, desto kürzer die Garzeit), wobei die Brühe nicht sprudelnd kochen darf. Bei Bedarf Wasser nachfüllen und entstehenden Schaum mit einer Kelle abschöpfen.
Die Brühe nach 2 Std. salzen (keineswegs vorher, damit das Fleisch nicht austrocknet).
Den fertigen Tafelspitz quer zur Faser in Scheiben schneiden. Den zwischenzeitlich abgekühlten Apfelmeerrettich dazu reichen. Dazu passen Salzkartoffeln.
Noch ein wichtiger Hinweis: Die Brühe ist ein wertvolles und schmackhaftes Nebenergebnis. Man kann sie als Vorsuppe reichen.
Verena Günther-Gödde, Autorin und seit mehreren Jahren Texterin, ausgebildete Buchhändlerin und nach einem Studium der Germanistik und Soziologie im Bildungsbereich und in der Öffentlichkeitsarbeit tätig, vorrangige Interessensgebiete Gesellschaft, Wissen und Politik.